meinungen_startseite Mehr Meinungen ansehen
Bandologie-Buch kaufen

Direktlink zu dieser Seite (zum Weiterempfehlen an Freunde):
https://www.bandologie.de/wbtbwb

We Butter The Bread With Butter - Europe Tour Trailer

Die Vermarktung von Künstlern: Markenpositionierung für Hardrock & Heavy Metal am Beispiel von We Butter The Bread With Butter

Interview mit Jana Braumüller und Nils Kolonko

So kannst du das Interview hören und / oder lesen:

MÖGLICHKEIT 1
a) Audio-Aufnahme des Interviews, Download als MP3: MP3, 43 Minuten / 59 MB [rechte Maustaste, Ziel speichern unter]

b) Audio-Aufnahme des Interviews, online hören [Einfach Play drücken]


MÖGLICHKEIT 2
a) Niederschrift des Interviews, Download als PDF: PDF, 14 Seiten [rechte Maustaste, Ziel speichern unter]

b) Niederschrift des Interviews, online lesen [Einfach nach unten scrollen]

Herzlichen Dank an Jana Braumüller und ihre Professorin, Frau Prof. Dr. Susanne Femers, für die Genehmigung zur Veröffentlichung des Gesprächs im Rahmen der Bandologie.


Studentin der Wirtschaftskommunikation und Tourmanagerin der Band We Butter The Bread with Butter: Jana Braumüller

Buchautor, Verleger und Berater für Musiker: Nils Kolonko


Bachelorarbeit
Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin
Fachbereich Wirtschaftswissenschaften II
Studiengang Wirtschaftskommunikation


Transkript des Experten-Interviews mit Nils Kolonko (Bandologie.de)

Datum des Interviews: 19. Juli 2012
Dauer des Interviews: 43 Minuten 32 Sekunden
Anwesenheit Dritter: Nein
Ort der Befragung: Café Morsh, Berlin/ Schöneberg
Besonderheiten/ Eindrücke: Geringfügige Störfaktoren durch Musik und Kellnerin

>>> Jana Braumüller: Dann noch mal vielen Dank, dass du hier bist. Stell dich doch bitte einmal vor!

Nils Kolonko: Ich bin Nils Kolonko. Ich habe ein Buch geschrieben, das heißt „Bandologie - wie man als Musiker seine Band zum Erfolg führt“. Ich war vorher Produktmanager bei einer Plattenfirma – bei der BMG – und habe Kaufmann für audiovisuelle Medien gelernt. Ich habe früher in meiner Jugend sehr viel Schlagzeug gespielt und war viel mit Metal- und Rockbands unterwegs.

Jana Braumüller: Sehr schön. Das wäre nämlich auch gleich die nächste Frage: Nämlich welche Verbindungen du zum Bereich Hardrock bzw. Heavy Metal hast?

Nils Kolonko: Oh! Abgesehen von dem 50cm großen AC/DC-Tattoo auf meinem Rücken... (lacht) Naja, ich habe halt als ich 14 war Nirvana entdeckt und kurz darauf Metallica nur wenige Monate später und seit dem habe ich mich meine Jugend über in der Metalszene bewegt bis hin zur Black Metal Szene und habe seitdem einfach eine Verbindung zu Rock- und Metalmusik, wobei ich mittlerweile auch viel anderes höre und bin da sehr offen geworden, aber noch immer kenne ich mich offenbar noch ganz gut aus im Metalbereich. Es gibt einige neuere Bands, die ich nicht mehr kenne. Aber so einen groben Überblick habe ich noch, was da so passiert. Und ich habe halt viel in Clubs gespielt und auf so Metalfestivals und so.

Jana Braumüller: Ok, und du sagtest bereits, dass du Produktmanager bei einer Plattenfirma warst. Mit welchen Produkten hattest oder hast du denn in der Musikindustrie zu tun?

Nils Kolonko: Jetzt kommen die bösen Fragen. Wir haben Deutschland sucht den Superstar vermarktet - die erste Staffel. Damals wusste ich mit dem Namen nichts anzufangen und kam hier in Berlin zu dieser Firma und man sagte mir: „Es gibt da so `ne neue Fernsehsendung. Arbeitstitel ist Deutschland sucht den Superstar, aber das wird natürlich noch umbenannt.“ Es wurde niemals umbenannt. Und wir haben dann in diesem Jahr dort acht Nummer-Eins-Hits gemacht - mit der Firma, mit 15 Leuten. Und das war schon `ne krasse Erfahrung.

Jana Braumüller: Und wie hat sich da auch die Zusammenarbeit mit den Künstlern gestaltet bzw. vielleicht auch heute noch? Hast du da mit Künstlern zu tun?

Nils Kolonko: Witzig! Wir haben Daniel Kübelböck in einen rosa Badeanzug gesteckt. (lacht) Naja, die Zusammenarbeit mit Künstlern lief dort halt sehr zackig ab - würde ich vielleicht so formulieren. Dort ging es ständig nur Schlag auf Schlag - ein Interview nach dem nächsten. Und irgendwie diese Leute da ziemlich schnell durch die Medienszene durchbringen. Also so lief der Kontakt zur Plattenfirma ab. Die hatten dann jeweils noch ein Management und hatten dort einen intensiveren Kontakt. Und heute habe ich mit Künstlern noch insofern zu tun, als dass ich regelmäßig Bands berate. Also die buchen sich eine Beratung bei mir. Und ich sitze den ganzen Tag bei der GVL und beschäftige mich zumindest mit Listen von Künstlern und Vergütungen und wer da was bekommen sollte. Also das habe ich heute noch mit Künstlern zu tun.

Jana Braumüller: Und es ist ja so, dass es zum einen die Produkte in der Musikindustrie gibt und zum anderen den Menschen als Künstler und dann vielleicht sogar als Marke - je nachdem wie der Künstler das schafft. Welche Unterschiede gibt es denn zwischen Produkt und Mensch als Marke?

Nils Kolonko: Also ich persönlich neige dazu - also ich neige in den letzten Jahren dazu, so in den letzten zehn Jahren mindestens - oder ich fange mal anders an. In meiner Jugend habe ich da eine sehr starke Trennung gesehen und habe auch vieles verabscheut, was in der Musikindustrie stattfindet – noch immer. Mittlerweile sehe ich einige Dinge anders. Beispielsweise Schlagerkünstler oder auch diese Unterscheidung Produkt und Künstler. Ich persönlich sehe das eher als Eins. Also ein Künstler ist, wenn er erfolgreich ist, in der Regel jemand, der sich auch verkaufen will. Und der alles, was mit ihm zu tun hat, verkaufen will. Und verkaufen heißt in dem Fall auch das Feedback von den Leuten kriegen. Also, wenn da jemand applaudiert oder wenn eine Masse von Leuten applaudiert dann ist in dem Moment was verkauft – der Liveauftritt! Und in diesem Zuge wahrscheinlich auch einige CDs. Also ich sehe das so als einen Fluss sozusagen und sehe den Künstler dort als eine Art Quelle, der sagt: „Von mir kriegt ihr folgende Angebote.“ Also ich würde es am liebsten zusammenfassen unter Angebot. Ihr kriegt von mir einen Liveauftritt, möglicherweise noch Fotos, Poster, Videoaufnahmen, DVD-Aufnahmen und CDs. Und wenn du den genauen Unterschied wissen willst, dann hat ein Produkt erstmal noch keine Seele. Denn das ist einfach Plastik, was dort in CD-Presswerken hergestellt wird bzw. MP3s – also Datenmengen, die durch das Internet geschickt werden. Was aber drin ist, ist sozusagen das geistige Eigentum oder das gestaltete Etwas des Künstlers und das kommt halt von ihm. Und inwiefern man da jetzt eine Trennung sehen will... Ich betrachte das nicht so. Ich sehe den Künstler schon direkt als Marke/ Person/ Produkt - alles in Einem. Aber so agiert nach meinem Verständnis auch jeder andere Mensch. Also auch jeder, der im Büro arbeitet oder so. Der vermarktet sich auch als Produkt. Der merkt das vielleicht nicht, aber er geht jeden Tag ins Büro, zieht sich entsprechende Kleidung an, geht da nicht in Jogginghose hin – also je nach Büro, aber in der Regel nicht. Und so geht auch Madonna irgendwie los und vermarktet sich und zu ihr gehören nicht nur diese CDs sondern auch ihre Yoga-Session und ihr Image. Und das alles zusammen ergibt für mich das Produkt Madonna. Und die macht dann Angebote an die Welt - nach meinem Verständnis. So sehe ich das.

Jana Braumüller: Und wie wichtig ist denn eine richtige Positionierung innerhalb der Musikindustrie – also als Künstler selbst?

Nils Kolonko: Immens wichtig! Also man kann es nicht überbetonen. Wenn ein Künstler nicht einzigartig positioniert ist, hat er keine Chance. Da gibt es ein Beispiel: die Band Stahl. Armin Rühl, der Schlagzeuger von Herbert Grönemeyer, hat ein Projekt gegründet das hieß Stahl oder heißt es immer noch und das ist tierisch gefloppt. Stahl klang so ziemlich genau wie AC/DC und selbst die Texte waren fast wörtlich übersetzt. Das waren keine Übersetzungen, aber es war AC/DC-Stil durch und durch. Und das auf Deutsch umgesetzt. Damit war die Band nach meinem Verständnis überhaupt nicht positioniert, sondern es war ein Abklatsch, ein übersetzter Abklatsch von AC/DC und die Band ist völlig untergegangen. Gut, also die Positionierung einer Band, die Einzigartigkeit einer Band ist immens wichtig - das Wichtigste überhaupt. Da gibt es auch nichts anderes, was da noch zwischen kommt. Sondern das ist das Wichtigste. Wenn die Band einzigartig wirkt auf das Publikum - so muss man es formulieren - wenn das Publikum das Gefühl hat: „Wir kriegen hier was Einzigartiges!“, dann zündet das. Und ansonsten... Für viele oder für wenige Musiker ist das selbstverständlich und die machen es dann einfach so als wäre nichts passiert. Ich habe aber regelmäßig Musiker in der Beratung, die mir erzählen: „Led Zeppelin sind die Größten und ich will auch so klingen. Und ich will... als Deutscher will ich jetzt eine englische Rockplatte rausbringen und das soll so klingen wie Siebziger Jahre Sound.“ Wo man schon weiß: Das wird keine einzigartige Positionierung. Und wenn ich dann sage: „Du wirst damit nicht durchkommen.“ Dann sagen die meisten Musiker: „Das spornt mich jetzt noch mehr an. Ich will es unbedingt probieren.“ Und die fallen natürlich voll auf die Fresse. Also so viel zum Thema Einzigartigkeit oder Positionierung.

Jana Braumüller: Und wie wichtig ist dabei die richtige Wahl des Namens und auch des Logos?

Nils Kolonko: Finde ich persönlich nicht so wichtig. Ich finde es gibt ganz grausame Bandnamen und ganz grausame Logos mit entsprechend erfolgreichen Bands dahinter. Ich habe gerade gestern ein Bandlogo gesehen von einer Band, wo ich noch nicht mal wusste, dass die ein Logo haben. Also... Oder beispielsweise Nirvana. Ich wüsste nicht, dass die ein Logo gehabt hätten. Metallica, ok, diese Zacken da an dem M und dem A, ok. Guns ‘n‘ Roses mit ihrem Bullet-Dingsda. Ich halte das für nicht so wichtig. Es gibt so schlimme Namen. Also Apoptygma Berzerk, die einen riesigen Radiohit hatten oder Red Hot Chili Peppers finde ich auch keinen guten Bandnamen, aber die Band ist mega. Also beides finde ich nicht wichtig, sondern wichtig finde ich den Inhalt, den die Band liefert.

Jana Braumüller: Und wenn du es nicht als wichtig empfindest, glaubst du dann auch, dass es überhaupt keine Identifizierung vom Publikum aus mit diesem Namen oder auch mit dem Logo gibt oder findet so etwas schon statt?

Nils Kolonko: Oh doch, auf jeden Fall. Also die gibt es ganz klar. Also beispielsweise 30 Seconds to Mars habe ich gestern gesehen - ein Live-Konzert. Das Bandlogo von denen finde ich hässlich - also grauenhaft geradezu. Aber die Fans stehen dort und halten dieses Zeichen in die Luft. Ich glaube so geht das. (zeigt das Zeichen der Band in der Luft) Und halten dieses Zeichen in die Luft. Aber wichtig ist dabei nicht, ob das jetzt grafisch toll gemacht ist, sondern die Symbolkraft des Logos und was sie damit verbinden. Damit verbinden sie den Waschbrettbauch von Jared Leto und die ganzen Texte und das Engagement oder das scheinbare Engagement der Band für die Umwelt usw. und gegen Kriege usw. Und dieses Logo sieht eigentlich fürchterlich aus. Das ist wie so eine Art... das hat eine Symbolfunktion oder so eine Funktion wie eine Münze, eine Geldmünze ist auch nicht hübsch, aber man kann damit bezahlen. Und wenn man das Logo wiedererkennt. Der Wiedererkennungswert ist wichtig, aber es muss nicht gut aussehen. Also 30 Seconds to Mars beweisen das sehr eindrucksvoll, wie ich finde.

Jana Braumüller: Und jetzt mal hypothetisch gesehen oder angenommen eine Band oder ein Künstler will sein Logo oder auch den Namen, was ja noch ein Stückchen krasser dann ist, ändern. Was glaubst du denn was das für eine Auswirkung auf das Publikum hätte? Also ist das Publikum darauf sehr sensibel oder was könnte da passieren?

Nils Kolonko: Ja, in der Regel kommt die Band dann nicht mehr durch. Also wenn die Band den Namen ändert. Beispielsweise Ray Manzarek hat versucht eine Solokarriere zu starten, aber wenn man nicht das Stichwort nennt: „Das sind The Doors“, ja dann weiß keiner damit was anzufangen und der Club bleibt leer, obwohl da der selbe Organist sitzt wie auch neben Jim Morrison saß, aber das interessiert keine Sau, weil dieser Markenname nicht mehr drauf ist. Und ein Logo ändern machen Bands selten, aber wenn sie es machen... Also häufig ist alles, was in diesem Bereich verändert wird, für eine Band nicht gut. Sondern die Fans stehen häufig auf das, was sie zuerst gesehen und kennengelernt haben inkl. des Namens, des Logos und häufig auch der Bandmitglieder. Häufig reagieren Fans ganz übel, wenn da nur ein Bassist ausgetauscht wird. Also das kann ganz ... bei vielen Bands würde das ganz übel rüberkommen. Also bei den Red Hot Chili Peppers z.B. Wenn du da den Bassisten austauscht, also dann ist das nicht mehr die Band (lacht) - dann ist das eine andere Band.

Jana Braumüller: Und wie wichtig ist denn ein Image oder das Image eines Künstlers für eine erfolgreiche Vermarktung?

Nils Kolonko: (zögert) Ich zögere etwas, denn ich finde, wenn ein Image schon als ein solches auftaucht. Wenn das also so wirkt als wäre es aufgesetzt, dann habe ich die Erfahrung gemacht, dass eine solche Band häufig nicht funktioniert. Sondern nehmen wir mal Die Toten Hosen als Beispiel. Ich finde, die haben nicht das, was man als ein gebasteltes oder aufgesetztes Image bezeichnen könnte. Aber sie haben immer das gemacht, was sie glauben machen zu müssen und als Ergebnis dessen haben sie ein Image für die Außenwelt, ja. Aber ich glaube nicht, dass die sich zusammengesetzt haben und gesagt haben: „Wir machen jetzt mal ein Image.“ Also es ist immens wichtig, was die Band macht. Und darüber entsteht im Idealfall auch das Image. Auch ansonsten ist es wichtig natürlich. Also Yvonne Catterfeld beispielsweise ist seit ein paar Jahren nicht mehr so erfolgreich. Als sie beispielsweise die Single „Für Dich“ rausgebracht hat, war sie auf Nummer Eins der Charts. Und sie hatte so ein buntes Video mit so Regenbogenfarben und sie hatte blond gefärbte Haare, ganz lange Haare und war tendenziell chic und sexy gekleidet. Jetzt hat sie dunkle Haare, ist tendenziell etwas ökomäßig oder sagen wir mal so alternativ gekleidet und macht etwas souligere Musik und so. Aber das ist auch nicht nur das Image von ihr, sondern das ist auch das, was sie macht. Vorher hat sie ein bisschen was anderes gemacht und das kam offenbar auf dem Markt bei den Leuten viel besser an. Und das war aber, wenn du so willst, ein aufgesetztes Image. Ich habe das damals mitbekommen, was da passiert ist – hinter den Kulissen sozusagen und das naja... Yvonne Catterfeld hat mal Jazz studiert, ne. Das hat ihr bestimmt nicht so gut gefallen als Popsternchen. Also nicht nur gut gefallen. Sie wollte das auch, aber naja gut, das wäre jetzt Mutmaßung da. Ich kenne das Innenleben von ihr nicht, aber naja.

Jana Braumüller: Aber du hast mich da schon perfekt zur nächsten Frage hingeführt, denn es gibt ja zum einen das Image, was die Band nach außen hin ausstrahlt und zum anderen auch die Identität der Gruppe oder des Künstlers selbst. Und so wie du gerade gesagt hast, ist es ja nun bei manchen so, dass die eine ganz andere Identität eigentlich haben oder sich anders mit Dingen identifizieren als das, was sie nach außen tragen. Kommt das oft vor? Oder gibt es solche Gegensätzlichkeiten, die z.B. auch funktionieren? Oder ist das immer ein Problem?

Nils Kolonko: Kommt das oft vor? Bei dauerhaft erfolgreichen Bands – und die beobachte ich meistens, das ist das, was mich am meisten interessiert. Bands, die über einen längeren Zeitraum erfolgreich sind. Die sind meistens auch das, was man von ihnen denkt, was sie wären. Die sind gewissermaßen echt. In der Regel. Aber es gibt immer Ausnahmen. Also Rex Gildo beispielsweise hat sich, so weit ich weiß, umgebracht, weil er... Ich glaube, es war Rex Gildo oder war es der andere Kerl? Black, wie hieß der denn noch, Roy Black? Einer von Beiden. Ich weiß nicht welcher von Beiden. Ich verwechsle die immer leider. Er war Rock ‘n‘ Roller in seinem Herzen eigentlich und wollte immer Rock ‘n‘ Roll singen, aber hat dann die ganze Zeit Schlager gesungen. Ich glaube, es war doch Roy Black. [[ Anmerkung: Nils Kolonko bestätigte im Nachhinein, dass es Roy Black war. ]] Einer von den Beiden. Und er ist daran zerbrochen logischerweise, aber es lief sehr erfolgreich. Also so etwas kann mal funktionieren, aber in der Regel ist es so, dass Bands dann erfolgreich werden, wenn sie das machen, was sie auch wirklich vom Inneren her wollen.

Jana Braumüller: Und welche Wege gibt es denn, dass der Künstler auch sein Image nach außen hin, oder seine Identität im besten Fall, nach außen tragen kann, weitertragen kann, überhaupt präsent ist? Denn, ich meine, er kann ja noch so ein tolles Image haben, wenn da niemand etwas von mitbekommt.

Nils Kolonko: (zögert) Ja... Ne, ich betrachte das andersrum, weil ich die Beobachtung gemacht habe, dass es in der Regel andersrum läuft. Ich habe gerade die Geschichte eines Musikers angerissen, der sich bei mir in die Beratung begeben hat und der will ein Album rausbringen mit so 70er Jahren Rock ‘n‘ Roll Gitarren und also einem 70er Jahre Rocksound. Dieser Typ hat ein Image, was den 70er Jahren wohl in etwa entspricht, aber er lebt im Jahre 2012. Egal wie weit er das promotet und welche Mittel und Wege er auch immer wählt. Und übrigens hat dieser Mensch sich überlegt sich eine RTL-Kampagne zu buchen und zur Primetime seine Werbung zu seinem Album zu schalten. Also Größenwahnsinn ist da schon fast kein Wort mehr. Das ist ja völlig überdimensioniert. Egal wie er dieses Image unter die Leute bringen würde, die Leute würden es wahrscheinlich nicht annehmen, meiner Einschätzung nach. Und ich glaube, da bin ich mir einig mit fast allen Leuten, die das einschätzen sollten. Das wird nichts! Andererseits eine Band wie beispielsweise We Butter The Bread With Butter oder auch eine Künstlerin aus Berlin Dota Kehr. Die haben völlig unterschiedliche Images. Aber das, was die so... Oder Bonaparte aus Berlin auch eine Band. Alle drei völlig unterschiedlich, aber das ist irgendwie aufregend, was die da haben. Und die brauchen sich nicht viele Gedanken machen, was für Mittel sie wählen. Wenn die ein paar Live-Konzerte spielen, dann spricht sich das auf einmal rum wie ein Lauffeuer und die Musikfans kommen dann dahin und wollen das sehen. Und das ist das, was ich immer wieder beobachte. Es kommt also sozusagen... Ja, die Frage ist nicht wie groß man es zu Anfang macht, sondern wie spannend das Ding inhaltlich ist. Und das verwechseln Musiker ständig. Die wollen sich immer Werbekampagnen buchen und Tricks finden, wie sie sich nichts mehr ausdenken müssen, aber sie müssen sich irgendwas ausdenken, sonst geht das... oder bzw. etwas anders machen. Einige empfinden das auch nicht so, dass sie sich was ausdenken müssten. Die machen dann einfach was Neuartiges. So wie beispielsweise We Butter The Bread With Butter. Das finde ich neuartig, was die machen. Also so Hardcore-Sound mit deutschen Texten kenne ich von keiner anderen Band.

Jana Braumüller: Ein bisschen ausführlichere Frage und wir müssen mal gucken in wieweit wir darauf eingehen, wäre, wie sich denn so ein kompletter Marketing-Mix gestaltet? Ich weiß, das ist natürlich sehr ausufernd, aber mal so kurz angerissen, wie produkt-, preis-, vertriebs- und kommunikationspolitischen Entscheidungen in so einem Künstlergefüge passieren und umgesetzt werden? Kann man das irgendwie zusammenfassen?

Nils Kolonko: Ja, z.B. am Beispiel der Ärzte. Das finde ich einen Klassiker. Diese drei Leute kümmern sich da zu einem sehr großen Teil selbst drum. Die haben da zwar auch ein Label, die haben da angestellte Leute. Die gestalten ihre Preise tendenziell günstig. Also die sind bei Live-Konzerten etwas günstiger und die haben mal ein Doppel-Album rausgebracht, was sie zum Preis eines normalen Albums verkauft haben. Also sie versuchen immer so bisschen preislich niedrig zu schießen. Das Gleiche gilt oder galt mal für Herbert Grönemeyer früher und ich glaube Die Toten Hosen machen das auch immer noch so. Die Produktpolitik kann man auch zusammenfassen. Also in der Regel sehr erfolgreiche Künstler achten darauf, dass sie ein exorbitantes Produkt haben - nicht nur ein ganz gutes Produkt, was ganz cool ist und „Ey, wir haben ein cooles neues Album.“ Sondern das muss sozusagen die Hütte wegpusten. Das beobachtet man bei den Böhsen Onkelz, genauso wie bei Herbert Grönemeyer, bei den Toten Hosen, bei Peter Maffay, bei allen, die sehr groß sind und ein großes Standing haben. Es gibt da so ein Beispiel, was ich mal mitbekommen habe, wo ein Künstler, der einen Plattenvertrag hatte, immer noch hat, und bei dem es seit 30 Jahren super läuft. Also wirklich genial. Der stand irgendwann auf in einem Marketing-Meeting und sagte: „Wenn ihr die Sonderausstattung für meine Albumproduktion nicht bezahlt,“ - der wollte so ein spezielles Case dafür haben - „dann zahle ich die halt selber. Das Meeting ist vorbei. Tschüss.“ Und viele andere Künstler hätten das nicht gemacht, selbst wenn sie das Geld gehabt hätten, kurzzeitig. Die Kommunikationspolitik – häufig sind solche Bands sehr offen, machen keine große Geheimniskrämerei. Ich erlebe das bei unbekannten Bands immer wieder, dass sie versuchen so ein Geheimnis um ihre Band zu machen, so ein Mysterium aufzubauen oder so. Das mag mal in 80ern funktioniert haben, aber heute ticken die Medien so, dass man sowieso alles über jeden herausfinden kann, über Facebook, Google, Wikipedia, was auch immer. Wie auch immer man sich dort einloggt. Also zur Kommunikationspolitik: in der Regel sehr offen. Und da wird halt kommuniziert, was man sich vorher ausgedacht hat. Häufig passiert da gar nichts so Spannendes bei Bands. Ich meine, die lassen... Also Grönemeyer hat Plakate aufhängen lassen mit den Worten: „Grönemeyer live“. Dann war da so eine Silhouette zu sehen. Das hätte von ihm sein können oder von irgendjemand anderem und dann Konzerttermine drunter. Das war in dem Fall seine Kommunikationspolitik. Da war nichts weiter. Das Plakat war auch noch hässlich, wie ich finde. Also das Plakat hat ihn nicht gebreakt oder hat ihm das Stadion nicht voll gemacht, sondern da kommt dann wieder sein Produkt. Und die Absatzpolitik, also die Distributionspolitik, gut, die ist wiederum sehr verschiedenartig bei Bands. Da gibt‘s also einige Bands, die hauen mittlerweile EPs oder einzelne Tracks oder ganze Alben manchmal kostenlos raus und sagen: „Hier nehmt hin. Ich habe eh keine Chance das zu verkaufen.“ Trent Reznor hat das so ähnlich formuliert und hat gesagt: „Ich kann meine Alben, also die sind eh kostenlos im Internet sobald ich die erste Single veröffentlicht habe, lädt das irgendjemand hoch und dann zack ist die Single verfügbar.“ Und das Gleiche passiert mit einem Album sobald er da ein Unit, also eine Einheit, verkauft hat. Die Distributionspolitik läuft bei erfolgreichen Bands sehr ähnlich wie bei nicht erfolgreichen Bands. Also die distribuieren ganz normal sozusagen. Gut, ganz große Bands verkaufen dann auf Konzerten nicht mehr ihre Alben in der Regel, aber ansonsten, die verchecken halt ihre T-Shirts auf Konzerten, gehen über den klassischen Tonträgerhandel und verkaufen natürlich so viel wie es geht auch übers Internet. Der Downloadmarkt steigt ja immer noch. (räuspert sich) Obwohl es sich ja eher um ein Downloadmärktchen handelt, aber gut, das steigt an und vielleicht wird es mal größer als der physische Markt, vielleicht wird es auch mal größer als der Live-Markt, was ich nicht glaube, aber möglich wäre es ja. Die technischen Voraussetzungen wären da und wenn dann noch die Leute umschalten und sagen: „Hey, Musik, das ist uns echt mal was wert.“ Also das wäre, naja, gut... Willst du dazu noch mehr wissen?

Jana Braumüller: Ne, also das war schon sehr ausführlich und trotzdem kompakt. Aber du hast es auch schon angeschnitten, aber welche Rolle spielen denn diese ganzen Entscheidungen auch bei der Markenpositionierung des Künstlers letztendlich?

Nils Kolonko: Also naja, diese vier Aspekte, also insbesondere, nach meinem Empfinden oder nach meinen Beobachtungen, die Produktpolitik, spielen halt die Rolle. Also ich meine das ist dann alles, was man mit einer Band überhaupt machen kann. Und das ist in Summe super-entscheidend. Aber den Knackpunkt sehe ich in der Produktpolitik und was man dort den Leuten anbieten kann. Den Rest finde ich persönlich dann nicht so aufregend, weil da sowohl bei mittelmäßig erfolgreichen, als auch bei erfolglosen, als auch bei erfolgreichen in etwa das Gleiche passiert. Wobei man schon sagen muss, beispielsweise bei der Preispolitik, da machen sich halt einige Leute mehr Gedanken, einige weniger. Oder auch, was so ein... tja, das wäre die Kommunikationspolitik. Wir sind Helden beispielsweise sind vor ihrem Konzert immer durch die Hallen durchgegangen und wenn dort Werbeplakate oder Marken hingen, die ihnen nicht gefielen oder mit denen sie keinen Deal hatten oder was auch immer, dann haben die gesagt: „Hey, das muss heute Abend abgenommen werden.“ Und so eine Band gibt es nicht so häufig, die vorher da durchgehen und sagen: „Wir möchten das Plakat heute Abend hier nicht mehr haben.“ Das wäre eine kommunikationspolitische Entscheidung zu sagen: „Wir wollen unseren Fans das nicht mehr zeigen.“ Also diese vier Aspekte spielen die Rolle für eine Band. Interessanterweise - also die Leute, die das Eine beachten, beachten häufig auch das Andere und kümmern sich dann mit so einem Selbstverständnis um die ganze Gesamtheit. Die meisten Künstler können das ja meistens gar nicht auseinander dividieren, was sie da jetzt eigentlich genau betreiben und das ist auch nicht so wichtig. Sondern wichtig ist, was sie denn letztendlich machen. Naja.

Jana Braumüller: Zu den Medien, die haben wir ja jetzt auch schon kurz beleuchtet. Ich würde gerne mal wissen, welche Rolle die Massenmedien im Bereich von Hardrock/ Heavy Metal spielen? Oder ob sie überhaupt eine Rolle spielen?

Nils Kolonko: Naja, ich denke sie spielen schon eine Rolle, wenn es um die Mainstream-Bands geht. Also beispielsweise AC/DC oder so eine Band wie Uriah Heep oder so oder Bon Jovi, die tauchen ja schon, also wenn wir vom klassischen Hardrock sprechen, tauchen ja schon in den Medien auf und werden dann häufig so als die Bösen so dargestellt. Das hilft den Bands ungemein, weil sie dadurch eine Positionierung erfahren. Sie sind in den Mainstream-Medien, so bei Boulevard und wie diese ganzen Magazine heißen, sind das dann häufig so die bösen Rocker. So Lordi mit ihren Masken oder so, ne. Das hilft denen ungemein oder hilft denen zu einem Teil. Andererseits zählt bei Hardrock doch wie die Konzerte sind. Und das ist das entscheidende Medium für eine Hardrock-Band - Konzerte zu spielen. Und die Konzerte extrem überzeugend zu spielen. Es gibt eine Aussage von Knorkator, die sie mehrfach wiederholt haben. Die haben ja beim Grand Prix teilgenommen mit „Ick wer zun Schwein“. Und die haben mehrfach gesagt, dass sie davor auch schon ihre Fans hatten und dass dieser Medien-Hype denen fast keine neue Kundschaft gebracht hat. Und das fand ich interessant, denn ich hätte so aus dem Bauch heraus gesagt: „Naja, nachdem die da waren, ging es eigentlich erst richtig los.“ Aber das stimmte gar nicht - zumindest aus deren Sicht passierte da finanziell nicht viel. Ich kenne das übrigens auch mit meinem Buch. Ich habe einen Werbespot gedreht und war auf der bild.de Startseite und hatte an dem Tag, als es da Titelthema war, irre viele Besucher auf meiner Seite, aber die Buchverkäufe haben sich fast nicht verändert. Also das Buch war vorher schon erfolgreich und dann blieb es auch so. Aber das hat nicht so viel rumgebogen. Und ob jetzt irgendwie die Süddeutsche schreibt, dass AC/DC doof sind oder nicht, nimmt sich in der Regel nicht viel. Aber nichtsdestotrotz, die spielen da schon mit rein, finde ich. Vom Mainstream aus gesehen sind die Hardrocker eben immer auf der einen Seite, auf der Seite der Bösen und damit sind sie meistens, wenn sie Hardrocker sind, auch zufrieden und gut positioniert.

Jana Braumüller: Und welche weiteren Medien empfiehlst du einem Künstler zur Vermarktung innerhalb der Musikindustrie?

Nils Kolonko: Ich schreibe gerade ein Buch, das heißt „111 Marketing-Ideen für deine Band“. Man kann da sehr kreativ werden, was das Marketing angeht. Die Medien, die ich empfehle, sind das Internet, aber insbesondere und vor Allem Live-Auftritte und dann vollständig ausgestaltete Live-Auftritte. Es gibt Bands, die gehen in einen Club rein, spielen ihr Zeug runter und gehen wieder. So, dann haben die nicht einen Fan gewonnen. Andere Bands gehen da rein, haben vorher schon den Merchandise aufgebaut, haben da irgendwie ein/ zwei nette Damen, die mit dem Publikum die ganze Zeit Smalltalk betreiben und die am Stand halten, haben möglicherweise eine Newsletter-Liste dort ausliegen. Wenn das den Leuten gefällt, können sie sich dort eintragen handschriftlich. Dann gibt es Bands, die gehen auf die Bühne und erzählen kein Wort von ihrem neuen Album, erwarten aber am Ende des Konzerts, dass die Leute es kaufen. Wo ich mich immer frage: „Wie soll das zusammenpassen?“ Also das ist ein ganz wichtiger Kanal und für viele ist das Internet natürlich sinnvoll, weil es kostenlos bis kostengünstig ist. Also es kann ein immens wichtiger Weg für eine Band sein. Und ansonsten, naja, mein Gott, das Übliche. Also, wenn man ins Radio kommt, ist natürlich schön, aber nicht zwingend notwendig. Beispielsweise die Böhsen Onkelz waren nie im Radio. Ich bin kein großer Fan von denen, aber ich bin sehr angetan von der Art, wie die eine Karriere gemacht haben. Die Onkelz hatten keine Medien und alle waren gegen die. Aber ich habe mal ausgerechnet. Beim Abschiedskonzert der Böhsen Onkelz waren 0,125 Prozent der deutschen Bevölkerung. Also irgendwie 0,1 Prozent der Bevölkerung. Die haben die gefeiert und der Rest nicht. Der Rest fand die scheiße. Also kurzum als Kommunikationsmittel sind häufig ganz einfache Mittel sehr wirksam. Es gibt diese Künstlerin, Dota Kehr, die lebt von ihrer Musik, die ist Profi-Musikerin. Die schreibt Newsletter. Die gehen: „Hallo Freunde, Dota spielt:“ Und dann folgen nur die Konzerttermine. „Wir sehen uns. Alles Liebe, eure Dota.“ Und das ist ihr Marketing. Ich wollte mit der mal ein Interview machen zum Thema Marketing. Da hat sie gesagt, sie hält den Aspekt des Marketings gar nicht für so relevant. Und aus ihrer Position betrachtet, hat sie völlig Recht. Aber der Unterschied ist auch zu ihr bzw. zu vielen anderen Künstlern. Sie verschickt ihren Newsletter. Andere nicht. Also es kommt mir manchmal etwas blöd vor, wenn ich so etwas sage, aber es ist unfassbar wie viele Bands ich erlebe, die ganz berühmt werden wollen und die noch keinen einzigen Newsletterempfänger haben und sich aber jetzt, sagen wir mal, einen Radiospot buchen wollen oder einen Fernsehspot bei RTL. Das wird nichts, ja. Sondern das nutzen, was man hat. Und wenn man bei einem Konzert die Leute schon mal emotional gebunden hat, ist es der beste Moment um ihnen was zu verkaufen oder sie zu einem Newslettereintrag zu bewegen. Also das kann ich empfehlen. Das, was man in dem Moment zur Verfügung hat und nicht drei Schritte weiter denken. Das bringt halt eh nichts.

Jana Braumüller: Und kannst du eine Aussage darüber treffen, wie sich die Medien noch weiter entwickeln werden bzw. die Kommunikation innerhalb der Medien vor allem vielleicht im Bezug auf Hardrock?

Nils Kolonko: Naja, die Medien haben sich ja in den letzten 20 Jahren ganz rapide verändert was Hardrock und Heavy Metal angeht. Das ist ja mittlerweile total gesellschaftstauglich geworden. Als ich in meiner Jugend Metal gespielt habe, war das also undenkbar, dass Metallica auf die Titelseite der Bravo kommen oder so. Da war das so eine kleine Spalte ganz hinten und mittlerweile werden ja auch härtere Musikrichtungen abgefeiert als wären sie Mainstream-Pop. Ich kann mir also vorstellen im Bezug auf sämtliche exotische, also Hardrock ist ja schon nicht mehr exotisch, aber exotische Musikrichtungen, dass das mehr zum Mainstream gezählt wird, weil denen auch ansonsten die Luft ausgeht. Ich meine, man kann nicht den ganzen Tag über Lady Gaga berichten. Da braucht man auch mal etwas Anderes. Also ich kann mir vorstellen, dass das noch eine größere Präsenz erhält in den Medien in den nächsten Jahren und mehr Akzeptanz in der Bevölkerung, denn die Bands gelten nicht mehr als böse oder als moralisch nicht akzeptiert oder so, sondern die sind sozusagen gesellschaftsfähig geworden.

Jana Braumüller: Es ist eine recht allgemeine Frage und du hast es auch vorhin schon einmal angesprochen, aber welche Besonderheiten gibt es denn, die einen Künstler oder eine Gruppe für das Publikum besonders, ja, oder besonders interessant machen?

Nils Kolonko: Oh.

Jana Braumüller: Kann man das pauschal sagen?

Nils Kolonko: Ich finde: Ja. Denn es sind immer wieder ähnliche Aspekte. Ich habe gerade eine Band gesehen. Ich habe leider ihren Namen vergessen. Irgendwas mit R, ne. Eine Hardrock-Band aus Amerika. Revenue, oder so? Mensch, wie hießen denn die? Ramahea, oder so? Wie auch immer. [[ Anmerkung: Nils Kolonko teilte mir nach dem Interview mit, dass er Paramore meinte. ]] Eine 22-jährige Frontsängerin mit roten Haaren, schlank, tolle Figur, singt laut und gut, also die hat das schon sehr gut gemacht. Die Band hatte eingängige Melodien in den Refrains, die Band hat gegroovt bis zum Abwinken. Die Frontfrau war auffällig. Sie war nicht perfekt und hat auch nicht perfekt gesungen und hatte auch nicht die perfekte Figur, aber sie war sehr auffällig und ist da rumgesprungen wie so ein Floh gewissermaßen. Na ziehen wir mal einen Vergleich zu Campino oder so, der ja sehr viel Action auf der Bühne macht und viele Andere tun das nicht. Also Action auf der Bühne. Dann zählt für die Fans häufig, dass dort, sagen wir mal, ein gedanklicher Hintergrund stattfindet, der größer ist als die Summe dieser Menschen. Also wenn sich eine Band so wie U2 beispielsweise für sozial wichtige Dinge engagiert oder eine größere Idee dahinter steckt. Bei Jay-Z hat man beispielsweise häufiger das Gefühl, weil er solche gesellschaftspolitischen Themen anschneidet oder auch dann ausformuliert und Statements dazu setzt. Man hat das Gefühl, da passiert mehr als dass der jetzt ein paar Worte runter brabbelt. Ähnlich ging es früher bei Herbert Grönemeyer, mittlerweile hat er das ja etwas zurückgefahren - seinen politischen Ansatz, den auch viele gar nicht mehr kennen. Bei den Toten Hosen ist das präsent wie eh und je. Da denkt man noch immer: „Mensch, die wollen eine Revolution starten.“ Obwohl es schon lange bewiesen ist, dass dies nicht mehr passieren wird oder bei den Rolling Stones, wo man immer das... oder was wäre denn so eine Band, wo man immer das Gefühl hat? Depeche Mode beispielsweise. Da hat man bei den Live-Auftritten immer das Gefühl, gleich passiert etwas im Sinne einer Heiligkeit, ja. Da kommen gleich Engel runter oder so was. Und das wirkt immer geistig größer sagen wir mal. Oder bei den Böhsen Onkelz ist es ja ganz klar. Die wurden ihr Leben lang missverstanden und damit konnten sich die Fans identifizieren, denn viele fühlen sich in ihrem Leben missverstanden und dann ging‘s immer: „Wir sind die, die dagegen sind.“ „Wir gegen die Welt!“ Und ein solcher Gedanke in der Band ist sehr wichtig für die Leute. Also ein Groove, auffällige Frontperson, so ein Gedanke oder so eine Art Bewegung würde ich es fast schon nennen, so ein Lebensgefühl, das vermittelt wird. Das ist das richtige Wort, was am übergreifendstes alles zusammenfasst. Eingängige Melodien und bei deutschen Bands sind es dann in der Regel auch die Texte, wo sich sozusagen die Spreu vom Weizen trennt und wo sich die Laberbacken unterscheiden von einem Typen wie Sven Regener oder Jochen Distelmeyer oder solchen Leuten, die sich dann massiv durchsetzen und andere stehen daneben: „Ich habe doch so ähnlichen Sound und so ähnliche Texte.“ Ja, ne irgendwie nicht. Naja, und das sind die Aspekte, die mir gerade einfallen und bei einigen Bands ist es auch noch eine geile Live-Show. Das ist kein Muss, aber so einer Band wie Rammstein hat es bestimmt gut getan, dass sie viel Feuer auf der Bühne machen.

Jana Braumüller: Du hast schon sehr viel zum Publikum gesagt, aber noch mal so zusammenfassend: Wie wichtig ist denn die Konsumentenbindung, also in dem Fall die Publikumsbindung, im Hardrock?

Nils Kolonko: Also es ist natürlich das Einzige wodurch die Band letztendlich bezahlt wird. Und ich kenne es von allen etablierten Hardrock-Bands so, dass die Fans also extrem stark gebunden sind, wenn man das so nennen kann, oder formulieren wir es positiver, dass sie an der Band sehr hängen. Also dass sie aktiv die Band haben wollen. Und das ist enorm wichtig und die Bands erreichen das in der Regel durch Glaubwürdigkeit und Glaubwürdigkeit kommt dadurch zustande, dass man genau das macht, was man sagt. Und dann gibt es immer wieder Leute, die zweifeln die Glaubwürdigkeit aller möglichen Bands an. Gut, aber die Fans wissen oder glauben das dann auch über einen Zeitraum von Jahrzehnten und wenn so eine Hardrock-Band glaubwürdig ist, ist das in der Regel der Schlüssel zur Fanbindung.

Jana Braumüller: Und gibt es da auch Unterschiede zu anderen Genres?

Nils Kolonko: Ja, also beispielsweise... Von einigen Bands weiß man ja regelrecht, dass sie lügen. Nehmen wir als Beispiel einen Künstler, den ich sehr schätze. Wolfgang Petry. Der hat sein Leben lang immer Playback gesungen und viele im Publikum wissen das auch und wussten das auch und damit war er eigentlich schon nicht mehr glaubwürdig als Musiker. Andererseits hat er sich gesagt: „Hey, ich will meinen Leuten den besten Sound liefern.“ Und mit Live-Mikrofonen ist das manchmal nicht in der Qualität möglich und der Petry, der konnte singen. Also das ist nun nicht die Frage. Aber das war für ihn eine Frage des Sounds oder der Perfektion, die da bei so einem Live-Auftritt rüberkommt. Gut, damit war er dann auch wieder glaubwürdig, aber es gibt halt Künstler. Miley Cyrus z.B. Naja gut, auf ihre Weise ist sie dann auch wieder glaubwürdig, aber die hat jetzt keine größere politische Message oder wenn die sich jetzt nächsten Monat entscheidet eine völlig andere Frisur zu tragen, völlig andere Musik zu machen und jetzt irgendwie eine Country-Platte mit klassischen Musikern herauszubringen oder so was. Dann würde keiner sagen: „Oh Miley, das war früher alles viel besser.“ Sondern die muss nicht so glaubwürdig sein. Genau wie Britney Spears oder so. Weil die sozusagen auch nichts Ernsthaftes vertritt in dem Sinne. Aber eine Band wie AC/DC oder so, wenn die sich jetzt wandeln würden und die würden auf einmal eine Reggae-Platte rausbringen oder so, also da würde die Welt ziemlich Kopf stehen und die Fans würden alle abspringen. Wenn man nur erfolgreiche Künstler betrachtet, dann sind alle auf ihre Art glaubwürdig. Selbst Mariah Carey. Ich habe ein Live-Konzert von ihr gesehen und bin früher gegangen, weil ich es so scheiße fand. Die hat sich auf der Bühne vier Mal umgezogen während der Show und hatte dann jeweils eine Pause von zehn Minuten. Ich finde, das macht man nicht bei einer professionellen Live-Show, dass dann die Frontfigur zehn Minuten von der Bühne verschwindet, weil sie sich umziehen muss, aber das ist nun mal Mariah Carey und die muss sich umziehen sonst wäre sie nicht Mariah Carey. Und die Fans fanden das, glaube ich, super. Ich fand das total daneben. Für mich war das nicht glaubwürdig, aber aus Sicht der Fans war das geil.

Jana Braumüller: Ok, abschließend möchte ich noch den Begriff Markenwert beleuchten.

Nils Kolonko: Eine Sekunde. Aber was natürlich nicht geht bei einer Band, dass eine Band, sagen wir mal, Friede Freude Sonnenschein verkörpert und aber hinten rum die intellektuellen, depressiven Typen sind oder umgekehrt, sie sind eigentlich total die Partytiger, finden es aber besser, wenn sie ernsten Hardrock spielen. In der Regel funktioniert das nicht. Es sei denn, man kann auch das kommunizieren. Bei Iron Maiden beispielsweise. Die sind privat sehr lustig und machen schöne Scherze, spielen dann aber recht ernste Musik. Bei denen gehört es irgendwie zusammen. Aber du kannst nicht das eine performen, das andere verkörpern. Das wird schon bei Herbert Grönemeyer schwierig,wenn der sich in seinen, ich glaube, großen Audi oder so setzt und dann mit seinem intellektuellen Pop sozusagen. Ich meine bei dem wird es schon schwierig, wenn er in Stadien spielt. Irgendwie kriegt er den Spagat, aber bei solchen Punkten wird es halt schwierig. Oder wenn man Campino in einem silbernen, mit Diamanten bestickten Bentley sitzen sehen würde, dann würde man denken: „Hey, ist das noch die Band?“ Ja gut, also solche Punkte würden halt einem Künstler häufig das Genick brechen.

Jana Braumüller: Ok, abschließende habe ich noch eine Frage zu dem Begriff Markenwert. Man kennt das ja aus dem Produktmarketing, dass immer so bestimmte Marken, Coca-Cola, Pepsi, auch einen gewissen Wert sowohl monetär als auch emotional mit sich bringen. Kannst du eine Einschätzung darüber treffen, ob es so etwas wie einen Markenwert auch in der Musikindustrie bzw. bei Künstlern oder Musikgruppen gibt?

Nils Kolonko: Ja klar. Also das ist ganz klar ausgewertet. Es gibt beispielsweise die erfolgreichsten Touren des Jahres. Die werden immer veröffentlicht. Ich glaube auf billboard.com. Und dort kann man ganz klar sehen, wer hier monetär gesehen die stärkste Marke hat. Emotional gesehen, muss das sowieso jeder für sich selbst entscheiden, wie wichtig die Marke ist. Für einige Fans ist Sigur Rós die wichtigste Marke der Welt. Aber so ein Typ wie, wer hat mich da so überrascht, oder nehmen wir Taylor Swift. Ich hätte nicht gedacht, dass die so viel Umsatz gemacht hat auf ihrer Tour. Ich glaube, die hat mehr Umsatz gemacht als Jon Bon Jovi. Also Markenwert gibt es ganz klar und der ist auch, wie ich finde, ganz klar definiert. Man könnte dann noch in Betracht ziehen wie lange diese monetäre Einnahme anhält, denn Taylor Swift würde ich jetzt nicht als ganz so starke Marke einschätzen wie Bon Jovi, obwohl sie im letzten Jahr den höheren Umsatz gemacht hat. Aber wenn man das über eine längere Zeit betrachtet, kann man eigentlich sagen, der, der über die längste Zeit das meiste Geld verdient hat, der hat in der Regel den höchsten Markenwert. Also ich finde das auch etwas problematisch, wenn man da immer versucht die Musikindustrie da abzukoppeln vom Rest der Welt, denn die meisten Leute wollen Rockstars werden u.a. weil sie damit sehr viel Geld verdienen wollen und nicht ein bisschen und nicht nur „Wir machen es, weil wir so nett sind und dann gehen wir in zehn Jahren doch wieder arbeiten“ Nein, die meisten nehmen eine Gitarre in die Hand und wollen sehr erfolgreich werden, weil sie sagen: „Ich will damit Millionen verdienen und dann will ich gewissermaßen raus sein und will mich neben Mick Jagger an Pool legen.“ Wenn er da überhaupt liegt. Naja, ich finde das kann man sehr klar sagen und einen emotionalen Wert ok muss halt jeder selbst für sich bestimmen.

Jana Braumüller: Ok, dann war es das jetzt zumindest mit meinen Fragen. Ich danke dir sehr, dass du dir die Zeit genommen hast. Möchtest du irgendwie noch abschließend etwas zu dem Thema sagen, was jetzt vielleicht noch nicht beleuchtet wurde?

Nils Kolonko: Ja, zum Thema Markenwert fällt mir gerade noch ein. Man muss natürlich unterscheiden zwischen einer Marke und einer Einnahmequelle. Also wäre z.B. (überlegt) Wer hat denn mal nicht so unglaublich viel Geld verdient, aber eine riesige Marke? Also da gibt es ein paar Leute, die sind halt schon ständig in den Medien präsent, aber haben dann nicht so viel Kohle. Sagen wir mal, das ist ein bisschen fies, aber nehmen wir mal Tic Tac Toe. Die Band kennt bis heute jeder. Und für die Musikerinnen kam da auf lange Zeit betrachtet doch nicht so viel Geld bei rum. Ich weiß von der einen, das ging durch die Presse, dass sie jetzt wohl im Zoo als Kartenabreißerin arbeitet. Und das macht sie bestimmt nicht zum Spaß. Obwohl die Marke Tic Tac Toe sehr groß ist. Ähnlich ist es bei, was weiß ich, vielleicht Marc Terenzi, der ja mit Sarah Connor in dieser Show war. Ich glaube nicht, dass der jetzt dadurch so viele Platten verkauft hat und dann gibt es Andere, die verdienen sehr viel Geld, haben aber nicht so eine hohe Markenwirkung. Aber so in etwa kann man es schon abgrenzen. Was ich noch sagen will zu dem ganzen Thema. Ist das schon die letzte Frage? Ich finde, dass Innovationen der mit Abstand wichtigste Punkt bei einer Band sind und ich bin geschockt wie wenig Bands das wirklich machen und wie viele Leute noch immer versuchen sich auf dem Musikmarkt durchzusetzen, wenn sie was liefern, wo man eigentlich schon im Vorfeld sagen kann: „Du das wird nichts“ Und ich frage mich dann manchmal, warum es noch so viele mit solchen Sachen probieren, wo man naja... wo für mich ganz klar wäre, ok, das wird nichts. Natürlich kann man jetzt vorher nicht sagen, wer jetzt erfolgreich wird. Aber in der Regel ist es derjenige, der die neuartigen Ideen hat oder was Neuartiges zusammen kreiert. Beispielsweise so ein Hardcore-Punkrock-Sound mit deutschen Texten. Vielleicht schaffen es We Butter The Bread With Butter die Band Freiwild gewissermaßen auszustechen in Sachen Popularität und vielleicht spielen die demnächst in Stadien anstelle von Grönemeyer und ich wäre ganz froh darüber, wenn die es machen würden.

Jana Braumüller: Es wäre wünschenswert. Gut, dann vielen Dank!

Mehr Informationen zum Thema Musikbusiness, speziell für Musiker, auf www.bandologie.de

Zur Startseite www.bandologie.de